Bremen. Über Jahrhunderte gehütete Familiengeheimnisse, drei Meister einer Zunft, die es in Deutschland nicht mehr gibt - die Restauratoren und Brüder Matin sind in Bremen sesshaft geworden und wollen die Geheimnisse ihrer Teppichkunst lüften.
„Sehen Sie hier“, sagt Daniel Matin. „Sie denken, es ist nur ein Teppich - aber es ist mehr als das." Mit leuchtenden Augen breitet er den großen Perserteppich aus. „Dieser Teppich erzählt eine Geschichte", sagt er.
„Und die Zutaten dafür sind sehr geheimnisvoll", fügt sein Bruder Mehrdad hinzu. „Um sie zu ermitteln, muss man wie ein Detektiv vorgehen. Und genau das liebe ich."
„Es ist wichtig, Menschen für dieses Handwerk zu begeistern. Sonst stirbt dieser Beruf aus."Daniel Matin
Die Geschichte der Brüder Daniel (48), Mehrdad (43) und Massud (34) Matin beginnt in Persien, genauer: in Teheran. Ihr Vater, Hedayat Matin, ist den Angaben nach 20 Tage alt, als dessen Vater mit der Familie von Täbris nach Teheran zieht, um dort im großen Basar ein Geschäft zu eröffnen. Es ist das Jahr 1951, der Winter im Iran ist kalt, die Reise mit dem Bus beschwerlich und lang. Doch Hedayats Vater hat ein Ziel: Sein Geschäft soll expandieren. Die Nachfrage bei Hofe nach guten Teppich-Restauratoren ist groß.
Mit neun Jahren beginnt Hedayat, jeden Tag nach der Schule im gutlaufenden Geschäft seines Vaters das Teppich-Kunsthandwerk zu erlernen. Und er lernt schnell. Mit 14 Jahren sagt ihm sein Vater, dass er nun Meister sei. Hedayat bewirbt sich an der Innung der Meister-Restauratoren in Teheran.
Er benötigt die Unterschriften von vier Meistern, die bezeugen, dass er das Können hat, die Prüfung abzulegen. Er bekommt die Unterschriften und legt die Prüfungen ab.
Der Meisterbetrieb im Basar läuft gut. Hedayat Matin hat das Geschäft von seinem Vater übernommen und führt 40 Angestellte.
Seine drei Söhne Daniel, Mehrdad und Massud sind geboren. Matins Können ist auf der ganzen Welt gefragt, sein Telefon steht nie still. Er reist nach Dubai und Europa, um Teppiche zu restaurieren und zu schätzen. Und auch seine Söhne interessieren sich für das Handwerk. „Ich bin oft nach der Schule im Betrieb meines Vaters gewesen", erinnert sich Mehrdad Matin, der bereits mit neun Jahren den dritten Platz in der Kunsthandwerker-Meisterschaft in Teheran gewinnt.
„Wir haben uns alle drei für das Handwerk interessiert“, fügt Massud Matin hinzu. „Und das aus freien Stücken."
Alles läuft gut für die Familie - doch die Lage im Iran ist nicht einfach. 1996 beschließt Hedayat Matin, seine Heimat für eine bessere Zukunft seiner Söhne zu verlassen.
Hedayat Matin nutzt seine internationalen Kontakte, zieht erst mit der Familie nach Holland. Dann besucht er Bremen und ist sich sicher, hier den geeigneten Platz für sein Teppich-Atelier gefunden zu haben. Sein Plan geht auf. Die Arbeiten erledigt er zuerst von zu Hause. Dann eröffnet er sein Geschäft „Atelier Rofoogar" in der Humboldtstraße.
Später zieht das Geschäft in die Feldstraße um. „Wir fühlen uns glücklich in Bremen", sagt Massud.
Die lange gehüteten Familiengeheimnisse im Bereich der Teppich-Restaurierung reichen weit über das Jahr 1840 hinaus. „Jede Familie hat ihre eigenen Techniken“, erklärt Daniel. „Und diese wurden immer streng geheim gehalten. Wir aber wollen diese Geheimnisse lüften, um die Vielfalt zu zeigen und andere Menschen von dem Kunsthandwerk zu begeistern."
Die drei Brüder Daniel, Mehrdad und Massud Matin haben alle ihre Meisterprüfung vor der Innung in Teheran abgelegt - handwerklich und kunstgeschichtlich. Daniel knüpft am liebsten, Massud bevorzugt das Weben und Mehrdad liebt die Detektivarbeit, die nötig ist, um spezielle Farben im Naturverfahren herzustellen. Alle genutzten Materialien sind frei von Chemikalien. „Ich war bereits in vielen Ländern, reise auch oft zu den Nomaden in den Iran, um Waren einzukaufen und neue Färbetechniken kennenzulernen“, berichtet Masud Matin.
Gemeinsam vereinen die drei Brüder die Geheimnisse und das Können eines persischen Traditionsberufes. In ihrem Atelier und auf verschiedenen Kunsthandwerkermärkten zeigen sie ihr Können und ihre Techniken. „Es ist wichtig, Menschen für dieses Handwerk zu begeistern“, sagt Daniel. „Sonst stirbt dieser Beruf aus." Dann zeigt er auf die Mitte des Perserteppichs, der vor ihm liegt.
Zwei Jahre, sagt er, benötigten zwei Knüpfer, um ihn herzustellen. „In der Mitte befindet sich der Urknall, der sich in acht Himmelsrichtungen ausbreitet", erklärt er. „Ornamente und Blumen um die Mitte symbolisieren das Paradies, in dem wir leben." Die innere Banderole, so erklärt er weiter, beherberge Wachhunde, die das Paradies beschützten. „Jeder Teppich - und wenn er noch so alt ist - erzählt eine ganze Geschichte“, sagt er. Meist sei sie religiösen Ursprungs. Aber auch jahrtausendalte Muster, zum Beispiel von den Nomaden, kehrten in Stoffen immer wieder.
In der Feldstraße im Bremer Viertel restaurieren und reparieren sie Teppiche aus ganz Europa. Außerdem erstellen sie Gutachten und ermitteln den Wert der Stücke. So unterschiedlich die Brüder sind, sie haben eins gemeinsam: die leidenschaftliche Liebe zu ihrem Beruf. „Viele Menschen wissen gar nicht, was für Schätze sie zu Hause haben", sagt Mehrdad Matin. „Wir können ihnen die ganze Geschichte erzählen."
Bremen, den 23.12.2024 von Ragna Herzog
Im Bremer Viertel arbeiten drei Teppichrestauratoren in fünfter Generation. Die Brüder knüpfen und weben nicht nur, sondern färben auch nach altem Rezept.
In dem Beitrag aus dem TV-Magazin "Frankenschau" geht es um wertvolle Perserteppich, die auf traditionelle Art repariert werden. Mehr Frankenschau in der ARD Mediathek: https://1.ard.de/frankenschau-start
In Lehrberg in Mittelfranken repariert ein persischer Meister für Restaurierung antike Orientteppiche. Zu der Handwerkskunst aus dem Nahen und Mittleren Osten gehört auch das Färben der Wolle und die Interpretation der dargestellten Zeichen und Symbole. Daniel Matin weiß alles über die wertvollen Teppiche aus dem Orient.
Autorin: N. Stegner
Steintor. Hedayat Rofoogar Matin (60) und seine Söhne Daniel (35), Mehrdad (30) und der 21-jährige Massud sitzen in ihrem Atelier an der Humboldtstraße nebeneinander auf dem Fußboden, reden leise und führen geschickt Faden um Faden in einen Teppich. Sie sitzen auf handgefertigten Satteltaschen und weichen Polstern. "Ein Teppich kann eine ganze Geschichte erzählen", wissen die vier Männer. Ihr Nachname Rofoogar kommt aus dem Persischen und bedeutet Teppichrestaurator.
Seit 1840 übt die Familie diesen Beruf aus. Die Söhne nennen ihren Vater liebevoll und anerkennend "Meister". Schließlich kennt er mit seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung alle Tricks und Kunstgriffe, wie Schäden in Teppichen unsichtbar gemacht oder Schönheitsfehler beseitigt werden können. Nach der Flucht 1996 aus Persien hat sich die Familie in Bremen angesiedelt. Die Matins fühlen sich wohl in der Hansestadt und sind mehr als froh, dass sie hier ihren traditionellen Beruf wieder ausüben können. Denn das Restaurieren von Teppichen ist ein Spezialwissen und handwerkliche Fähigkeit, die von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Während die Konservierung eines Textils rein erhaltende Maßnahmen umfasst, beinhaltet die Restaurierung eines Stückes auch die Ergänzung und Rekonstruktion von zerstörten Partien. Hierfür sind umfassende Kenntnisse in den vielfältigen Knüpf- und Webtechniken notwendig. Auch die zur Restaurierung verwendeten Materialien wollen sorgfältig ausgewählt werden, damit sich die wiederhergestellten Partien dem Original optimal angleichen.
Und durch die Restaurierung wird unter Berücksichtigung ästhetischer, kunsthistorischer und technischer Eigenschaften eine bessere Lesbarkeit des Stückes hergestellt. "Ein Teppichrestaurator muss sich in den verschiedenen Künsten auskennen und lernt nie aus." So wandert Vater Hedayat in seiner Freizeit durch die Bremer Natur und experimentiert mit dem Herstellen von Naturfarben aus Pflanzen, Insekten oder Nüssen.
Der älteste ihnen bekannte Teppich sei 500 Jahre vor Christi geknüpft worden und Teppiche hätten eine lange Kulturgeschichte im Osten wie im Westen, sagen die Männer. Besonders kostbare Stücke erzielen heute bei Auktionen Höchstpreise. "Manche Menschen wissen gar nicht, was sie für Schätze herum liegen haben", sagen die Fachleute. Für die Nomadenstämme in Persien beispielsweise seien Teppiche viel mehr als ein Bodenbelag gewesen, sondern ebenso sehr Decke, Bett, Satteltasche, Wiege, Wandbehang und Schmuck.
Die Menschen glaubten an die Bedeutung von Farben und Formen, sie verarbeiten weiße Wolle als Glücksbringer und setzen schwarze Zeichen zur Abwehr von Unheil. Sie knüpften Gefühle, Freude, Sorgen und Trauer in die Teppiche. "Ist der Teppich in fröhlichen Farben, ging es den Menschen gut", erklärt der Vater.
Die Teppiche erzählten von Hochzeiten, von schlechten Ernten oder sogar Geschichten wie von dem kleinen Mädchen, das in einen Brunnen fällt. "Sie sind sozusagen die Tagebücher der Nomaden." Die Kunden der Familie Matin kommen aus ganz Deutschland und Europa. Und sie raten allen, die an ihren Teppichen hängen, schon bei kleinen Beschädigungen zum Fachmann zu gehen. "Teppiche können erstaunlich schnell auseinander fallen", sagen die Fachleute.
Zu ihrem Service gehört auch der An- und Verkauf von alten und antiken Teppichen, die sie in ihrer kleinen Galerie auch ausstellen. Außerdem erstellen sie Gutachten, ordnen Teppiche zeitlich oder territorial zu, sie kennen sich aus in der speziellen Behandlung von Brand- und Wasserschäden oder schützen Teppiche auf pflanzlicher Basis gegen Motten.
Bremen, den 17.03.2011 von Karin Osmers
➡️ https://www.weser-kurier.de/bremen/die-tagebuecher-der-nomaden-doc7e3xwesefmu1hp2pb9fu